Pseudoscorpiones

Afterskorpione, Moos- und Bücherskorpione


Meine erste Begegnung mit einem Bücherskorpion werde ich nie vergessen, so unglaublich erschien mir damals seine Entdeckung! Eine zweite Begegnung mit einem Bücherskorpion war für mich nicht minder überraschend, zumindest was den Fundumstand angeht, wenn ich da auch bereits um die Existenz dieser winzigen Viecher wußte. Beides möchte ich kurz nacherzählen und zumindest einen der damals beteiligten Individuen kann ich hier sogar im Bild (s.unt.) vorstellen! Wir begeben uns zurück an den Anfang der 1980er Jahre ...

Chelifer in camparison with WACA and field point   © Falk 2009 Mit großer Regelmäßigkeit konnte man mich da, mit Langbogen bewaffnet, in den nahen Wald ziehen sehen. Entlang der Waldkante zusammengefahrene Rundballen gaben meinen bevorzugten Pfeilfang ab, überschattet von zwei großen Eichen. Eines Tages nun, ich konnte es nicht fassen, war eine der Eichen gefällt worden. Da Eichen als ausgezeichneten Kletterbäumen schon immer meine besondere Zuneigung gegolten hat, war ich einigermaßen betroffen von dem Verlust dieses guten Freundes. Das mindeste was ich jetzt zu tun hatte war, mich niederzuknien und seine Jahresringe zu zählen ...
Ich zählte also! Und weil man dafür ganz genau hinschauen muß, entging mir auch nicht der winzige Skorpion, der plötzlich auf der hellen Baumscheibe durch mein Blickfeld lief! Ich traute meinen Augen kaum! Ein Skorpion – hier bei uns im kalten Norden?! Aber da waren ganz deutlich die Scheren zu sehen. Kein Zweifel, ein Skorpion muß das sein! Nur ist er hinten rund und zeigt keinen gefährlichen Stachel. Hmmm?! Wie auch immer!? Ich war der festen Überzeugung, soetwas hatte vor mir noch niemand entdeckt!
Wie sollte ich den winzigen Fund aber nach Hause schaffen? Ach ja! Ganz einfach! Ich schoß damals gern mit WACA ausgestattete Cedar-Schäfte. Um das Tierchen sicher einzusperren brauchte ich nur eine Feldspitze aus dem WACA herausschrauben, den Skorpion hineinzustecken und die Feldspitze ein-zwei Gewindegänge wieder einzuschrauben, fertig war das Transportgefängnis.
Zuhause angelangt präsentierte ich stolz meinen Fund der verwunderten Familie. Mit einiger Enttäuschung mußte ich jedoch später zur Kenntnis nehmen, daß schon vor mir einige Meschen den Blick für Details hatten und die Gruppe der Pseudoskorpione längst beschrieben war! Trotzdem, die Geschichte war ein Schlüsselerlebnis und die Folgen halten bis auf den heutigen Tag an!

Aus meiner zweiten zufälligen Begegnung mit diesen Tierchen stammt das nachfolgend abgebildete Exemplar. Dieses Tier wurde von mir phoretisch an einer Stubenfliege angetroffen und zwar – nachdem ich letztere mittels Klatsche dauerhaft auf den Küchentisch gebannt hatte! Schwer angeschlagen verließ daraufhin der blinde Passagier seinen zerstörten Flieger und taumelte über die weiße Arbeitsplatte, was meinen wachen Augen selbstredend nicht verborgen bleiben konnte. Mein Interesse war erneut geweckt!

Lamprochernes nodosus   © Falk 2009
Lamprochernes nodosus
ein augenloser Pseudoskorpion mit gedrungen kräftig gebauten Pedipalpenarmen und großem hinteren Laufbeinpaar. Man beachte die Milbe auf dem Abdomen (Mitte unt.), von der sich noch drei weiteren auf der Ventralseite befinden.
Phoretisch an einer Fliege; der Fliege wird dabei nicht geschadet, sondern sie wird nur als Transportmittel gebraucht.

Die Länge (L) des abgebildeten Tieres beträgt 1.5mm (ohne Pedipalpen; die Milbe mißt 155µm).
Lamprochernes nodosus   © Falk 2009
Drei Lamprochernes nodosus
ebenfalls phoretisch an einer (!) Fliege angetroffen. Die äußeren Exemplare von dorsal, das mittlere von ventral abgebildet. Die für Chernetiden typische halbrunde Form, sowie die doppelte Querfurchung des Prosomas, sind hier gut zu erkennen; Augen fehlen.

Maße von links nach rechts
L: 1.68mm
L: 1.76mm
L: 1.64mm

Seit meiner ersten Begegnung mit einem Vertreter der Klasse waren ein paar Jahre vergangen und mittlerweile kannte ich Stellen, an denen ich immer ein paar Tiere antreffen konnte. Aus dieser Quelle wurde meine "Skorpionzucht" aufgebaut, an der ich dann Verhaltensstudien betrieb.
Jedem der noch nie gesehen hat, wie sich zwei Cheliferiden an den Scheren halten und einen typischen Skorpion-Paarungstanz hinlegen, sei empfohlen das nachzuholen. Ganz bestimmt ein kleines Naturwunder im sprichwörtlichen Sinne!

Chelifer cancroides   © Falk 2009
Chelifer cancroides
der typische Bücherskorpion, mit langen schlanken Pedipalpenarmen- und Scheren. Winzige Augen sind als helle Stellen direkt oberhalb der Pedipalpen-Coxa gerade noch erkennbar.
Zusammen mit ein paar weiteren Exemplaren von mir über einige Monate gehältert. Die Ernährung erfolgte hauptsächlich mit Collembolen (Springschwänzen) und ist relativ unproblematisch sicherzustellen, wenn man wie ich, über eine natürliche Collembolen-Population auf flotierenden Blättern im Aquarium verfügt ...!


Das abgebildete Tier hat eine Kopf-Rumpflänge von L: 1.89mm

Chelifer cancroides   © Falk 2009
Disartikulierte Reste eines großen Chelifer Männchens (L: 3.03mm). Das Männchen ist an den spitz ausgezogenen Seiten der Tergite erkenntlich. Erahnen läßt sich die gekörnelte Mikroskulptur des Skeletts. Gut erkennbar sind die in charakteristischer Weise ausgebildeten hellen Augen.

Chelifer cancroides   © Falk 2009
Detailvergrößerung der Pedipalpenschere (auch Pedipalpenhand) von Chelifer. Am Ende des beweglichen Fingers der Schere mündet eine Giftdrüse, mit der die ergriffene Beute betäubt werden kann.

Länge der Schere: 1.79mm

Chelifer cancroides   © Falk 2009
Detailvergrößerung des Prosoma von Chelifer mit gut erkennbarer gekörnelter Mikroskulptur. Die in charakteristischer Weise ausgebildeten Augen, sowie die Querfurchen sind gut erkennbar. Das "Dreieck" am Vorderende wird von den Cheliceren gebildet; die Pedipalpen fehlen.

Länge bis in die erste Querfurch des Prosomas: 705µm

Chelifer cancroides  © Falk 2009
Hier die Chelicere eines Chelifer Weibchens mit der stattlichen Größe von L: 3.55mm.
Der bewegliche Finger der Chelicere befindet sich unten. Die Cheliceren übernehmen bei den Pseudoskorpionen die Funktion der "Mundwerkzeuge". Die Cheliceren (gr. χηλη = Schere) bilden das gemeinsame Merkmal der Chelicerata und nach ihnen ist diese Klasse der Arthropoden benannt, nicht etwa nach den großen und augenfälligen Pedipalpenhänden (s.oben).

An den Cheliceren münden Spinndrüsen; mittels Spinnfäden bauen sich die Pseudoskorpione verschiedene Arten von Nestern.

Die abgebildete Chelicere mißt 310µm


   Moosskorpione

Für die Moosskorpione sind gut ausgebildete Cheliceren charakteristisch. Das Prosoma (Cephalon) verjüngt sich nicht nach vorn wie das der Bücherskorpione. Seine Seiten können ± parallel verlaufen (Neobisiidae) oder es kann sich gar nach vorn erweitern (Chthoniidae). Die Tiere besitzen vier Augen und die Tergite auf dem Opistosoma (Abdomen) sind nicht median geteilt. Die beweglichen Finger von Chelicere sowie Palpenhand befindet sich jeweils unten. Lange Haare an den Palpenscheren dienen der Sensorik; für die Artbestimmung kann deren Anzahl ein wichtiges Kriterium sein.

Chthonius tetrachelatus   © Falk 2012
Das Photo zeigt ein lebendes Exemplar von Chthonius tetrachelatus mit einer Länge von 1.61mm. Die "im Vorwärtsgang" vorgestreckte Haltung der schlanken Palpenscheren ist typisch für alle Pseudoskorpione. Seitlich, in Höhe des ersten Laufbeinpaares, sind bei genauer Betrachtung jeweils die zwei kleinen Augen, in Tandemanordnung, erkennbar.
Chthonius tetrachelatus   © Falk 2012
Dieses Photo von Chthonius tetrachelatus zeigt deutlich die im Verhältnis zur Körpergröße kräftigen Cheliceren, denen die Art auch ihren Namen verdankt. Die bewegliche Basis der Cheliceren reicht tief in das Cephalon hinein, dessen gerader Vorderrand hier gut erkennbar ist. Über dem ersten Laufbeinpaar reflektiert die Linse des jeweils ersten Auges das Licht. Wie man sieht, liegt es so weit vorn wie nur irgend möglich.
Chthonius tetrachelatus   © Falk 2012
Die hier abgebildete Vorderhälfte von Chthonius tetrachelatus mißt etwa einen Millimeter. Das Photo entstand unter Wasserbedeckung und im Auflicht. Deutlich kann man die Zähne der Cheliceren, die Position der Körperbehaarung oder auch Becherhaare an den Palpenscheren erkennen. Nach vorwärst gerichtete Spitzen auf der Außenseite der beweglichen Cheliceren-Finger, sind die Mündungen der Spinndrüsen des Tieres.