Datierung von Artefakten



Was die Kollegen aus der Archäologie manchmal zu übersehen scheinen wenn isolierte Funde gemacht werden ist der Fakt, daß ein Anfäger heute genauso rüde Produkte herstellt, wie sie angeblich als z.B. für das Paläolithikum charakteristisch angesehen werden. Ich kann nur sagen: Vorsicht mit solchen Datierungen!
Eine Neuerung/Erfindung wie beispielsweise das Pressure-Flaking erstmals gemacht zu haben ist eine Sache, sie umzusetzen eine andere. Beispiel: "Wir" können heute alle Schreiben. Jetzt schau sich einer aber mal die Handschrift eines Erstklässlers und die eine Universitäts-Professors an! Ihr werdet jetzt sagen, die sind sich ziemlich ähnlich, beide kann man nicht lesen! Na gut – muß ich gelten lassen, richtig! Trotzdem hoffe ich, ich habe den Punkt rübergebracht ...!?

Tritt also ein "primitiv" aussehendes Fundstück zutage, so heißt daß nicht zwangsläufig, daß es alt ist! Findet sich aber ein mit modernen Mitteln und Methoden hergestelltes Exemplar, so heißt das sehr wohl, daß es erst nach Einführung dieser Neuerung entstanden sein kann. Die Zeitachse wird in hier relevanten Fällen also immer nur durch Punkte des ersten Vorkommen einer Eigenschaft untergliedert und nicht durch ihr Verschwinden. Verkompliziert wird eine Datierung noch dazu dadurch, daß die Verbreitung einer neuen Eigenschaft zwangsläufig diachron erfolgt, d.h., nicht an jedem Ort zeitgleich, sondern graduell oder wandernd hier und dort auftaucht. Außerdem ist es nicht gesagt, daß nicht später noch Funde mit gleichen Merkmalen gemacht werden, die tatsächlich älter sind, bis dato unbekannt waren und den fraglichen Zeitpunkt vordatieren.
Für die normalen Belange ist das eher unbedeutend, doch wenn eine außerirdische Rasse übermorgen die Reste der in Bälde ausgestorbenen Menschheit untersucht und den Schluß zieht, die heutigen australischen "Ureinwohner" wären Zeitgenossen des Neandertalers gewesen, weil sie offensichtlich den Bogen noch nicht kannten, so ist das aus unserer Sicht vermutlich falsch, oder nicht?!
Einer ihrer Wissenschaftler wird aber schließlich nach langem Hin-und-Her das Rätsel lösen, weil er zufällig einen Aboriginal ausgräbt, der zum Zeitpunkt seines Todes unzweifelhaft eine Cola-Dose im Handgepäck hatte und deshalb sicher als unser Zeitgenosse zu identifizieren ist, auch ohne Bogen ...!

Finden sich mehrere Merkmale, die jeweils nachweislich nur in einem eng begrenzten Zeitabschnitt vorkamen, so hat man einen Volltreffer, denn sie grenzen ein Fundstück zeitlich auf den Überschneidungsbereich beider Merkmale ein! In der Paläontologie nennt man das dann eine "Oppel-Zone". Was aber bei Fossilien sicher funktioniert ist bei Artefakten aufgrund der oben gemachten Äußerungen immer mit einem mehr oder minder großen Unsicherheitsfaktor verbunden. In diesem Sinne sollten kulturelle oder epochale Einordungen in der Literatur grundsätzlich verstanden werden. Sie stellen immer eine Interpretation dar. Sie kann, muß aber nicht zutreffen. Ich tendiere meist dazu sie erst einmal anzuzweifeln – dürfte klar sein!